Zwangspsychiatrie contra Menschenrechte und UN-Behindertenrechtskonvention

Zwangspsychiatrie contra Menschenrechte und UN-Behindertenrechtskonvention

Durch die Zwangspsychiatrie erfahren als „psychisch krank“ verleumdete Menschen die weitestgehende Einschränkung beinahe sämtlicher ihrer in der Verfassung der BRD beschriebenen Grundrechte. Diese Grundrechte der BRD sind etwas sekundär staatlich gegebenes, primär sind es Menschenrechte, die ihre Niederlegung in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen gefunden haben.[55] Betroffen sind vor allem: Das Recht auf Menschenwürde (Art.1, Abs.1 GG), das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person (Art.2, Abs.2 GG), vor allem durch die Körperverletzung mittels Zwangs’behandlung‘, durch Freiheitsberaubung und durch Entmündigung; das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art.2, Abs.1 GG), das Recht auf Meinungs- und Glaubensfreiheit (Art.4, Abs.1 GG) und das Recht auf freie Meinungsäußerung (Art.5, Abs.1 GG), weil ‚normabweichendes‘ Verhalten und die Äußerung von ungewöhnlichen Gedanken Zwangsbehandlung und Entrechtung zur Folge haben; das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz (Art.3, Abs.1 GG) und das Recht auf Freiheit vor Diskriminierung (Art.3, Abs.3 GG), durch Sonderbehandlung auf Basis der Verleumdung der Betroffenen als „psychisch Kranke“; das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10, Abs. 1 GG), durch die Möglichkeit der Postkontrolle bei InsassInnen in psychiatrischen Anstalten und bei durch „rechtliche Betreuung“ entmündigten Menschen. Letzteren sind darüber hinaus Grundrechte entzogen, die mit der Verwaltung des persönlichen Eigentums, der Wahl des Wohn- und Aufenthaltsortes, etc. zu tun haben (siehe Grundgesetz (GG) Artikel 1-19).

Psychiatrische Zwangsbehandlung entspricht darüber hinaus den Kriterien von Folter, wie sie die durch die Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 10. Dezember 1984 angenommene Antifolterkonvention („Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe“) definiert und verstößt damit gegen eines der wichtigsten Menschenrechte („Freiheit von Folter“).[56]

Obgleich sowieso ein Verstoß gegen die Menschenrechte, hätten die hier im Kapitel Psychiatrischer Zwang und seine rechtlichen Grundlagen angeführten Gesetze zur Legalisierung psychiatrischen Zwangs jedoch spätestens im Zuge der Ratifizierung der UN- Behindertenrechtskonvention („Convention on the Rights of Persons with Disabilities“) annulliert werden müssen. Wie Wolfgang Kaleck, Söhnke Hilbrans und Sebastian Scharmer am Beispiel des PsychKG Berlin nachwiesen, besteht eine Unvereinbarkeit der psychiatrischen Zwangsunterbringung und Zwangsbehandlung und der ihnen zugrunde liegenden Gesetze mit der UN-Behindertenrechtskonvention.[57] Artikel 14 der UN-Behindertenrechtskonvention besagt nämlich, „dass das Vorliegen einer Behinderung in keinem Fall eine Freiheitsentziehung rechtfertigt“. Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte bestätigte im Oktober 2008 unmissverständlich, dass der Freiheitsentzug aufgrund einer „Behinderung“ „intrinsisch diskriminierend“ und „ungesetzlich“ ist: „The Convention on the Rights of Persons with Disabilities (CRPD) states clearly that deprivation of liberty based on the existence of a disability is contrary to international human rights law, is intrinsically discriminatory, and is therefore unlawful.“ [58] Die Gesetzgebung, welche die Institutionalisierung von Personen aufgrund ihrer „Behinderung“ ohne deren freie und informierte Zustimmung zulasse, müsse abgeschafft werden, so das UN- Hochkommissariat im Januar 2009 („Legislation authorizing the institutionalization of persons with disabilities on the grounds of their disability without their free and informed consent must be abolished.“).[59] Ungeachtet dessen wurde die UN-Behindertenrechtskonvention am 4.12.2008 vom deutschen Bundestag ratifiziert, ohne die psychiatrischen Zwangsgesetze zu beseitigen. Bis heute halten die GesetzgeberInnen an diesem Konventionsbetrug fest. [60] Mit der erfreulichen Entscheidung für das Gesetz zur Patientenverfügung eröffneten jedoch die GesetzgeberInnen die Möglichkeit, die Menschenrechte mit einer Patientenverfügung gegenüber der Psychiatrie jeweils persönlich durchsetzen zu können. Wer Menschen mit PatVerfü psychiatrisch einsperrt, läuft Gefahr, wegen Freiheitsberaubung angeklagt zu werden und bei einer Zwangsbehandlung wegen Körperverletzung. Für ÄrztInnen ist die neue Regelung aber positiv, nun endlich Rechtssicherheit zu haben, wann sie behandeln sollen und wann nicht. Sie brauchen sich jedenfalls gegenüber Menschen, die eine präzise ausgearbeitete Patientenverfügung besitzen, nicht mehr darum zu sorgen, wegen unterlassener Hilfeleistung angeklagt werden zu können.


[55] Allgemeine Erklärung der Menschenrechte: Vereinte Nationen, UN- Resolution 217 A (III) der Generalversammlung vom 10. Dezember 1948; www.ohchr.org/EN/UDHR/Pages/Language.aspx?LangID=ger

[56] Ausführliche Begründung siehe: Halmi, Alice: Zwangspsychiatrie: ein durch Folter aufrecht erhaltenes System. In: Irren-Offensive. 30 Jahre Kampf um die Unteilbarkeit der Menschenrechte. AG SPAK Bücher: Ulm 2010, Seite 39-67. Im Internet: www.irrenoffensive.de/foltersystem.htm

      Im Internet: http://www.irrenoffensive.de/foltersystem.htm

[57] Kaleck, Wolfgang/ Hilbrans, Sönke/ Scharmer, Sebastian 2008: Gutachterliche Stellungnahme. Ratifikation der UN Disability Convention vom 30.03.2007 und Auswirkung auf die Gesetze für so genannte psychisch Kranke am Beispiel der Zwangsunterbringung und Zwangsbehandlung nach dem PsychKG Berlin. www.die-bpe.de/stellungnahme

[58] UN-Hochkommissariat für Menschenrechte (UNHCHR): Dignity and Justice for Detainees week [6.-12. Oktober 2008]. Information Note No. 4, S.2, www.ohchr.org/EN/UDHR/Documents/60UDHR/detention_infonote_4.pdf

[59] UN-Hochkommissariat für Menschenrechte (UNHCHR): Annual report of the United Nations High Commissioner and the Secretary General. A/HCR/10/48, 26.1.2009, S.16, www2.ohchr.org/english/bodies/hrcouncil/docs/10session/A.HRC.10.48.pdf

[60] Ausführlicher Bericht siehe „Chronik eines Betrugs. Wie die Behindertenrechtskonvention zu einem Mittel der Täuschung gemacht wurde.“ www.zwangspsychiatrie.de/kampagnen/chronik-eines-betrugs