Hinweise (nicht nur) für Richter, Betreuer, Psychiater

Hinweise (nicht nur) für Richter, Betreuer, Psychiater

Hinweise für: Richter | Betreuer | Psychiater

Hinweise für Richter

Richter dürfen überhaupt nur bei einwilligungsunfähigen Personen entscheiden. Zu unterscheiden sind dabei folgende Sachverhalte:

  1. Es ist keine Patientenverfügung bekannt und es gibt weder Bevollmächtigte noch einen gesetzlichen Betreuer. In diesem Fall muss jetzt der mutmaßliche Wille erkundet werden und offensichtlich ist der natürliche Wille, nicht eingesperrt zu werden, weil sich die Person ansonsten freiwillig in die Psychiatrie begeben bzw. dort bleiben würde. Ärzte müssen diesen (natürlichen) Willen – der vom Gesetzgeber so gestärkt wurde, dass damit sogar eine Patientenverfügung widerrufen werden könnte –  entkräften, indem sie mit Tatsachen einen vorher geäußerten Willen, eingesperrt zu werden, beweisen. Das geht eigentlich nur mit einer positiven psychiatrischen Vorausverfügung[87], der unter Zeugen mündlich ausdrücklich zugestimmt wurde (schriftlich wäre es Fall b).

  2. Es gibt eine Patientenverfügung ohne Betreuer oder Bevollmächtigten. In diesem Fall muss geschehen, was in der Patientenverfügung steht. Interpretationen sind nur bei widersprüchlichen Anweisungen in der Patientenverfügung möglich, oder wenn die Patientenverfügung – im Gegensatz zu einer PatVerfü – sehr allgemein und unkonkret ist.

  3. Es gibt einen Betreuer oder Bevollmächtigten und es ist keine Patientenverfügung bekannt. In diesem Fall muss der Betreuer bzw. Bevollmächtigte den mutmaßlichen Willen erkunden, siehe a) und dem Richter darlegen, falls der Arzt meint, den Willen des Betroffenen besser zu kennen und widerspricht. Immer zu beachten: Wille vor Wohl, bzw. das Wohl wird durch den subjektiven Willen des Betroffenen bestimmt und ist insofern mit diesem identisch. So hat es der Gesetzgeber am 18.6.2009 entschieden.

  4. Es gibt eine Patientenverfügung und einen Betreuer oder Bevollmächtigten. In diesem Fall muss geschehen, was in der Patientenverfügung steht. Interpretationen sind nur bei widersprüchlichen Anweisungen in der Patientenverfügung möglich oder wenn die Patientenverfügung – im Gegensatz zu einer PatVerfü – sehr allgemein und unkonkret ist.

Ein Richter muss also:

  1. feststellen, ob überhaupt Einwilligungsunfähigkeit vorliegt. Einwilligungsunfähigkeit kann durch einen Richter nur im Falle der Unfähigkeit, sich zu äußern (Koma) oder mit einer psychiatrischen Begründung festgestellt werden. Kann sich die Person äußern, dann benötigt ein Richter ein psychiatrisches Gutachten, dessen Erstellung aber durch die PatVerfü untersagt wird. Dadurch bietet die PatVerfü einen primären Schutz vor unerwünschten psychiatrischen Maßnahmen!

  2. in Erfahrung bringen, ob ein Komafall vorliegt. Ist das der Fall, dann muss der erste Blick des Richters dem Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer gelten. Denn wenn es registrierte Bevollmächtigte geben sollte, dann muss dies dem behandelnden Arzt sofort mitgeteilt werden, damit er von diesem Bevollmächtigten den wahrscheinlich durch eine Patientenverfügung dokumentierten Willen des Patienten erfährt, um danach handeln zu können – am besten durch eine schnell zum Krankenhaus gefaxte Patientenverfügung. Eine weitere richterliche Entscheidung erübrigt sich dann höchstwahrscheinlich – die vom Gesetzgeber beabsichtigte „Privatisierung“ medizinischer Entscheidung greift.

  3. ermitteln, ob sowohl Einwilligungsunfähigkeit vorliegt als auch kein Bevollmächtigter oder gesetzlicher Betreuer zuständig ist. Ist das der Fall, dann ist der Arzt bzw. das Krankenhaus zu befragen, ob von dem Patienten eine Patientenverfügung vorgelegt wurde, oder er eine Patientenverfügung bei seinen Papieren hatte.

    Wenn ja, siehe b).

    Wenn nein, ist in diesem Fall bei einem im Koma liegenden Patienten von einer maximalen ärztlichen Behandlung als mutmaßlichem Willen auszugehen. Ausgeschlossen ist allerdings psychiatrische Behandlung gegen den Willen, wenn dafür keine vorherigen Willensbekundungen vorliegen, siehe a).

  4. feststellen, ob eine PatVerfü vorliegt. Ist das der Fall, hat es der Richter besonders einfach. Sobald eine PatVerfü vorgelegt werden sollte, kann das Verfahren sofort eingestellt werden.(Deshalb ein Hinweis für alle: am besten immer ein Original der PatVerfü bei sich tragen – noch vor dem Richter wissen Ärzte dann, „was gespielt wird“, und ihnen fällt eine Entscheidung leicht.)


[87] Beispiel für eine „positive psychiatrische Vorausverfügung“  siehe: www.antipsychiatrie.de/io_08/positivestestament.htm