PatVerfü im Ausland und für Menschen mit Nicht-BRD-Pass

PatVerfü im Ausland und für Menschen mit Nicht-BRD-Pass

Definition: In diesem Text wird das Wort „Ausländer“ so verwendet, dass damit alle Menschen gemeint sind, die sich in der BRD aufhalten und keinen BRD-Pass haben. Dies ist keine allgemeine Definition, sondern ausschließlich eine, um begriffliche Unklarheiten in diesem Text zu vermeiden.

Durch das „Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen“[85] wird nach Ratifizierung durch die jeweiligen Nationalstaaten von diesen anerkannt, dass in familienrechtlichen Fragen, wie es das ganze Betreuungsrecht ist, jeweils das Recht des Staates gelten soll, der a) ebenfalls ratifiziert hat und b)in dessen Staat die Person, unabhängig vom Pass, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, auch wenn diese Person sich in einem der anderen Staaten aufhält, der ratifiziert hat. Staaten, in denen bisher das Übereinkommen rechtlich bindend in Kraft getreten ist: die BRD, Estland, Finnland, Frankreich, Lettland, Monaco, Portugal, Schottland, Schweiz, Tschechien, Östereich, Zypern  (Stand 1.9.2019). [86]
Was ist „gewöhnlicher Aufenthalt“? Als Faustregel kann man sagen, der Ort wo man sich mehr als ein halbes Jahr innerhalb eines Jahres tatsächlich aufhält und wohnt.

Die folgenden Konsequenzen dieser gesetzlichen Regelungen sind zwar aus diesen hergeleitet, sind aber keine gängige gerichtliche Praxis, geschweige denn eine alltägliche Übung. Wahrscheinlich werden sogar erst obere Gerichte auch für untere Gerichte verbindliche Standards entscheiden müssen. Für diesen wahrscheinlich notwendigen Weg durch die Instanzen soll dieses Papier Hilfestellung geben.

Fall 1) Eine Pat­Verfü-ge­schützte Per­son mit ge­wöhn­li­chem Auf­ent­halt in der BRD macht Ur­laub in Estland, Frank­reich, Finn­land, Schweiz, Schott­land, Tschechien oder Östereich (EFFSSTÖ): Sie ist dort vor der Zwangspsychiatrie geschützt – aber sie muss die EFFSSTÖ-Justiz davon jeweils noch überzeugen. Dabei sind die wesentlichen Helfer:

  1. die Vorsorgebevollmächtigten in Zusammenarbeit mit
  2. den jeweiligen BRD-Konsulaten und/oder -Botschaften und
  3. notfalls dem Auswärtigen Amt, Referat 507 – Internationaler Rechtshilfeverkehr in Zivil-, Handels- und Arbeitssachen sowie
  4. das Bundesamt für Justiz, Adenauerallee  99 – 103, 53113 Bonn, Telefon: +49 (0)228 99 410 – 40 Fax: +49 (0)228 99 410 – 5050

Wenn eine Psychiatrisierung drohen sollte, jedem Psychiater gegenüber eisern schweigen und nur ein Telefonat zu einem Vorsorgebevollmächtigten verlangen, sowie diesem die Situation und die Faxnummer der Anstalt mitteilen. Der Vorsorgebevollmächtigte muss sofort die Botschaft und/oder das Konsulat der BRD in dem betreffenden Land anrufen, deren Fax-Nummer erfragen und ein Fax mit der PatVerfü und einer Anweisung, den Vollmachtgeber sofort freizulassen, avisieren. Dieses Fax unbedingt auch an das Bundesamt für Justiz (siehe oben) senden. Sobald diese Faxe angekommen sind, sollte der Vorsorgebevollmächtigte wieder bei der Botschaft  anrufen und eine zuständige Person herausfinden, die

  1. kurzfristig eine Übersetzung der PatVerfü und Anweisung in die Landessprache besorgt und
  2. beides der Anstalt zufaxt.

Sodann sollte diese der Landessprache kundige Person der Anstalt telefonisch klar machen, dass in diesem besonderen Fall deutsches Recht verbindlich gilt und die sofortige Freilassung verlangen. Falls dies nicht zugesichert wird (oder sich bei Überprüfung als Lüge herausstellt) müssen in enger Kooperation mit dem jeweiligen BRD-Konsulat und/oder der Botschaft und notfalls dem Auswärtigen Amt in Berlin die nächsten rechtlichen Schritte eingeleitet werden: einen mit den rechtlichen Fragen vertrauten Rechtsanwalt beauftragen – vermittelt durch Konsulat bzw. Botschaft – und eine eventuell negative gerichtliche Entscheidungen anfechten, notfalls durch die Instanzen. Wichtig: immer gegenüber allen Psychiatern eisern schweigen, so dass der Anwalt immer zu recht sagen kann, man habe sich nicht freiwillig diagnostizieren lassen.

Fall 2) Eine PatVerfü-geschützte Person mit gewöhnlichem Aufenthalt in der BRD macht Urlaub außerhalb der BRD, aber nicht in einem EFFSSTÖ-Land, sondern anderswo: Die PatVerfü kann zwar ein Hinweis für ein örtliches Gericht im Ausland sein, ist aber rechtlich unverbindlich. Es herrscht dieselbe Willkür, wie in der BRD vor dem 1.9.2009, dem Datum des Wirksamwerdens des Gesetzes zur Patientenverfügung und damit der PatVerfü.

Fall 3) Eine PatVerfü-geschützte Person hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der BRD, aber keinen BRD-Pass, ist also hier AusländerIn: Für diese Personen gelten in der BRD die gesetzlichen Regelungen des Betreuungsrechts, also sind PatVerfü und Vorsorgevollmacht in vollem Umfang rechtswirksam. Die Anwendung unterscheidet sich nicht von der von Personen mit BRD-Pass.

Fall 4) Eine PatVerfü-geschützte Person hat einen EFFSSTÖ-Pass, macht in der BRD Urlaub und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in der BRD, sondern in einem EFFSS- Land: Die PatVerfü ist für ein örtliches Gericht hier zwar ein Hinweis, aber rechtlich unverbindlich. Es herrscht für diese Person dieselbe blanke psychiatrische Willkür der EFFSS-Länder, wie in der BRD vor dem 1.9.2009, dem Datum des Wirksamwerden des Gesetzes zur Patientenverfügung.

Fall 5) Ein/e PatVerfü-geschützte/r AusländerIn hat keinen EFFSSTÖ-Pass, macht in der BRD Urlaub und hat seinen/ihren gewöhnlichen Aufenthalt weder in der BRD noch in EFFSSTÖ: Für diese Personen sollten in der BRD die gesetzlichen Regelungen des Betreuungsrechts gelten, also sind PatVerfü und Vorsorgevollmacht in vollem Umfang rechtswirksam. Die Anwendung sollte sich so lange nicht von der von Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt in der BRD unterscheiden, wie der Staat des gewöhnlichen Aufenthalts dieser Person das „Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen“ noch nicht ratifiziert hat.